km eintragen |
Team(s) auswählen |
Profil bearbeiten |
Null-Meridian in Greenwich bei Tag |
Auch eine Besichtigung des Observatoriums lohnt sich. Es ist zwar nicht mehr in Betrieb, da der Nachthimmel hier inzwischen zu hell für ernsthafte astronomische Beobachtungen ist. Aber es gibt im Inneren eine interessante Ausstellung zu sehen. Man erfährt, dass das Observatorium 1675 von Charles II. gegründet wurde, um eines der drängenden Probleme der Zeit zu lösen: das Längengrad-Problem bestand darin, auf offener See die eigene Position bezüglich der geographischen Länge zu bestimmen. In einer Zeit, in der neue Länder entdeckt und Handelsrouten in die Ferne erschlossen wurden, war die Lösung dieses Problems nicht nur für die Seeleute lebenswichtig. Untergegangene Schiffe bedeuteten auch wirtschaftliche Verluste für die Eigner. Die Lösung des Problems versprach also nicht zuletzt wirtschaftliche Vorteile. Für die großen Seefahrer-Nationen war das \"Längengrad-Problem\" so wichtig, dass die englische Regierung 1714 sogar eine Belohnung von 20000 Pfund für denjenigen aussetzte, der eine Methode fände, mit der man auf See die eigene Position bezüglich der geographischen Länge bis auf ein halbes Grad genau feststellen könne.
Was hat das alles aber mit dem Observatorium zu tun? Nun, ein Lösungsansatz für das Längengrad-Problem bestand darin, die geographische Position anhand von Mond und Sternen zu bestimmen. Das scheiterte aber am mangelhaften astronomischen Kenntnisstand der Zeit: Es gab keine auch nur annähernd ausreichenden Karten und Tabellen über die Positionen von Sternen und Mond. Und eben diese Wissenslücke sollte mit dem neuen Observatorium geschlossen werden. Der Grundstein wurde am 10. August 1675 gelegt, und am 10. Juli 1676 zog John Flamsteed, der erste Königliche Astronom, ein. Seine Aufgabe war es, Nacht für Nacht in den Himmel zu starren und genaue Tabellen über die Positionen von Mond und Sternen zu erstellen. (Eine Aufgabe, die der Gesundheit des armen Flamsteed übrigens nicht gerade zuträglich war). Dazu wurde ein Teleskop entlang eines Meridians, also einer genau von Norden nach Süden verlaufenden Linie, aufgestellt, und die Position der Sterne gegenüber diesem Meridian festgehalten. Indem man viele, viele Beobachtungen vom gleichen Meridian aus vergleicht, kann man eine genaue Karte des Nachthimmels erstellen.
Flamsteed legte sich für seine Beobachtungen also einen solchen Meridian - übrigens ausserhalb des Observatoriums. Der achteckige Beobachtungsraum - von Christopher Wren, einem der bedeutendsten Baumeister der Zeit, entworfen - war nämlich aus Kostengründen auf den Fundamenten eines früheren Turmes gebaut worden. Pech für Flamsteed, dass seine Wände um dreizehneinhalb Grad von der Nord-Süd-Richtung abwichen. Der Achteck-Raum war für ihn nutzlos, und er musste seine Beobachtungen von einem Schuppen im Garten aus machen. Dort befand sich der erste \"Null-Meridian\" von Greenwich.
Der Meridian wurde von den Nachfolgern Flamsteeds (der erste Nachfolger war übrigens Edmond Halley, ja, der mit dem Komet) noch öfter um ein paar Meter verlegt. Auf einer internationalen Meridian-Konferenz 1884 wurde dann der 1851 von Sir George Biddell Airy (einem weiteren Nachfolger Flamsteeds) festgelegte Meridian international \"anerkannt\". Er verläuft durch das Royal Observatory. Der moderne \"WGS84-Meridian Null\" ist übrigens nicht mehr an die Erdoberfläche gebunden (Stichwort Kontinentalverschiebung) und verläuft etwa 100m weiter östlich durch den Park.
Und wer gewann denn nun den Preis, der für die Lösung des \"Längengrad-Problems\" ausgesetzt war? Ein Uhrmacher! Jedenfalls bekam John Harrison 1772 die Summe von 8750 Pfund für \"H5\". H5 war eine Uhr, mit der es möglich war, auch auf See einigermassen genau die Zeit zu messen. Auf einer 10wöchigen Testfahrt ging H5 im Schnitt nur 1/3 Sekunde täglich falsch, und das war besser als alles bis dahin Gekannte. Seit 1726 hatte Harrison an einer solchen Uhr getüftelt und nach dem ersten Modell \"H1\" schon von den Wächtern des Längengrad-Preises 250 Pfund für die Weiterentwicklung der Uhr erhalten. Der zweite Lösungsansatz für das Längengrad-Problem bestand nämlich darin, auf See die Zeit genau zu messen. Da die Erde in 24 Stunden eine Drehung um sich selbst macht, entspricht eine Stunde Zeitunterschied einem Unterschied von 15 Längengraden. Wenn man also den Zeitunterschied zu einem \"Nullpunkt\" weiss, dann kennt man auch die eigene Position bezüglich der geographischen Länge. Das Problem war nur, dass es keine Uhren gab, die auf See - bei Temperaturunterschieden, Nässe, Geruckel und Geschüttel - die Zeit genau genug messen konnten. Bis zur \"H5\" von John Harrison.
H5 und die vier Vorgänger H1-H4 sind heute im Royal Observatory zu besichtigen. Man kann sich dort gut eine Weile aufhalten und viel Interessantes erfahren, zum Beispiel auch über die mit den Eisenbahnen (und den dazugehörigen Fahrplänen) auftauchende Notwendigkeit, eine \"einheitliche Zeit\" festzusetzen, woraus schliesslich die \"Greenwich Mean Time\" resultierte.
Bis wir das Observatorium wieder verlassen, ist schon die Dunkelheit angebrochen. Der Null-Meridian ist nun als grüner Laserstrahl sichtbar, der vom Observatorium aus in die Nacht geschickt wird.
Null-Meridian in Greenwich bei Nacht |
Backlinks aus : |